Daniel Goleman: Konzentriert euch! Eine Anleitung zum modernen Leben.

Einerseits handelt es sich beim neuen Buch von Daniel Goleman klar um klassische „Ratgeber-Literatur. Mit der Kernbotschaft, frei nach Ray Bradbury: „Lieben Sie, was Sie tun und tun Sie, was Sie am meisten lieben. Doch tun Sie es fokussiert und mit Leichtigkeit…und das Leben wird Sie belohnen.“

Andererseits geht es in diesem Buch um viel mehr: Darum, wie wir die drohende Zerstörung der Ökosysteme durch Verschmutzung, Verschwendung und Übernutzung abwenden können.

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Goleman strukturiert das Buch in 7 Teile, wobei das letzte Kapitel alles wieder zusammenführt und folgerichtig „Das grosse Bild – In eine lange Zukunft führen“ heisst.

Doch schauen wir der Reihe nach, was er in seinem Buch offeriert:

Im 1. Kapitel unterscheidet Goleman erholsames und inspiriertes Gedankenwandern vom abgelenkten und unkonzentrierten Multitasking vieler Zeitgenossen. Während das erste zu Einsichten und neuen Ideen führen mag, leidet beim zweiten meist die Qualität der Arbeit. Goleman empfiehlt Phasen konzentrierter Arbeit mit Phasen von Erholung und Entspannung zu ergänzen und Ruhepausen nicht erst auf’s Wochenende oder  „wohlverdiente“ Ferien zu verlegen.

Im 2. Kapitel geht es um Selbstwahrnehmung. Der Autor zitiert Artisten des „Cirque du Soleil“, die ihre waghalsige Akrobatik nur dank einem entwickelten Körpergefühl und einem direkten Draht zu ihrem inneren „Steuerruder“, zustande bringen. Goleman bezieht sich hier auf das Konzept der somatischen Marker seines Kollegen Antonio Damàsio, mit wie Goleman an den Gesprächen des Mind and Life Institutes partizipierte. Gemäss Damàsio sind Emotionen kein Luxus, sondern ein komplexes Hilfsmittel im Daseinskampf. Den Akrobaten der Zirkusgruppe sagt das Bauchgefühl im entscheidenden Moment, ob ein Entscheid richtig oder falsch ist. Im Buch klingt dies so: „Es ist das Gefühl. Du spürst es in den Gelenken, bevor du es im Kopf weisst.“

Das 3. Kapitel hat mir besonders entsprochen, denn hier rollt der Autor die „Triade der Empathie“ aus. Er erklärt, warum soziale Sensibilität wichtig für entwickelte Gesellschaften ist und wie die Gehirnstrukturen von selbstbezogenen und gefühlskalten Menschen, aufgebaut sind.

Im 4. Kapitel geht es um den „grossen Zusammenhang“, mit dem Goleman aufzeigt, wie uns Systemblindheit hindert, innovative Lösungen für die drängende Probleme und Herausforderungen voranzutreiben. Insbesondere wenn es sich um Gefahren wie die Erderwärmung (wir könnten hier auch die Nukleartechnologie anfügen) handelt, deren Lasten besonders den nachfolgenden Generationen aufgebürdet wird.

Vom klugen Üben und der Bedeutung von Wiederholung und Ausdauer, aber auch unmittelbarem und differenzierten Feedback, schreibt Goleman im 5. Kapitel. Wer in der Erwachsenenbildung oder im Training tätig ist, sieht hier Parallelen zu John Hatties vielzitiertem Buch „Lernen sichtbar machen“.

Das 6. Kapitel richtet sich an die „konzentrierte Führungskraft“, die weiss, wie man Prioritäten setzt und Komplexität reduziert. Wohl mit einem Augenzwinkern wiederholt Goleman das Bonmot von Microsoft-Chef Steve Ballmer, der seinen Mitarbeitenden den „Tod durch PowerPoint“ ersparen will, und darum betriebsintern bevorzugt andere, fokussierte Präsentationsmethoden einsetzt.

Fazit: Ein lesenswertes Buch mit anregenden Impulsen wider die leidige Tendenz zur Zerstreutheit. Ich empfehle es allen Berufsleuten und Studierenden, die den Anspruch haben, konzentriert und mit Tiefgang komplexe Themen erschliessen zu können.

Klar, der Autor setzt den Lesenden zuliebe auf eine didaktische Struktur, die vielleicht nicht immer die ganze „Verwickeltheit“ des Themas abbildet. Doch die offerierten roten Fäden erleichtern den Lesefluss und schließlich bleibt es dem kritischen Publikum überlassen, bei einzelnen Kapiteln einen Zwischenhalt einzulegen um mit dem eingangs erwähnten „inspirierten Gedankenwandern“ ein Phänomen zu vertiefen und weiter auseinanderzufalten.

Buchtipp: Lernlust. Worauf es im Leben wirklich ankommt. Von Gerald Hüther und Peter M. Endres

Um Texte, in denen selbsternannte Heilsbringer ihre Weisheiten verbreiten, mache ich gewöhnlich einen grossen Bogen. Das hier rezenzierte Buch „Lernlust…“ gehört in eine andere Kategorie. Natürlich neigt der hier bereits besprochene Gerald Hüther zum Dozieren. Und  der Unternehmer Peter M. Endres sieht sich als wichtigsten Steuermann an Bord. Durch die Form des Dialogs, offenbart sich der Text als „Kaminfeuergespräch“, zu dem sich jeder, der dabei war, eine Meinung bilden darf.

Bildschirmfoto 2014-01-27 um 22.17.28Um was geht’s?

Zwischen den beiden Buchdeckeln trifft der engagierte Gerhirnforscher auf den Manager, der während zwanzig Jahren einen namhaften deutschen Versicherungskonzern führte. Das Buch gliedert sich wie ein Lehrbuchtext der neueren Sorte, in dem jedes Kapitel mit einer Erkenntnis startet und sich anschliessend in vier Unterkapitel teilt, bevor ein praktisches Beispiel aufzeigt, wie diese neuen Gedanken bereits erfolgreich erprobt werden.

Besonders beeindruckend fand ich das Beispiel der sogenannten „Sprachbotschafter“. Dabei handelt es sich in der Regel um ältere Schülerinnen und Schüler, die Jüngeren in Deutsch oder Mathe helfen oder diese auch sonst beim Lernen unterstützen. Zielgruppe sind vor allem Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache kennen.

Das Projekt zeigt: Jeder profitiert vom anderen, das heisst die Älteren lernen, wie es ist, etwas zu lehren. Und die Jüngeren entdecken, wie viel Spaß es plötzlich machen kann, diese schwere Sprache zu verstehen. Außerdem lernen ungefähr gleichaltrige Schüler untereinander einfach besser.

Da ich in der Schweiz im Bildungsbereich arbeite, in einem Land mit einer grossen Sprachenvielfalt (was für viele Migrantenfamilien eine enorme Herausforderung bedeutet), hat mich dieser Zugang besonders beeindruckt.

Fazit: Bildungsarbeit ist letztlich Beziehungsarbeit. Aber auch in der Führung und im Management geht es darum, Menschen empathisch zu begegnen und als Subjekte und nicht als Funktionsträger zu behandeln. Diese Grunderkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, dem ich eine offene und interessierte Leserschaft wünsche.

Buchtipp: „alphabet: Angst oder Liebe“ von Erwin Wagenhofer

„Wir müssen anders leben“ sagte der Regisseur Erwin Wagenhofer schon in seinem Film „We feed the world“. Im Buch zum aktuellen Film „alphabet“ versucht er seine globalisierungskritische Sicht noch grundsätzlicher zu fassen. Dabei nutzt er treffsichere Zitate und Aussagen, für die man -hätte man das Buch nicht gekauft- im Film mehrfach das Notizheft zücken möchte.

Letztlich benützt der talentierte Regisseur die portraitierten Persönlichkeiten und das Thema „Bildungsmisere“ als Vehikel, um die wichtige Frage zu stellen: wenn das aktuelle System, welches auf Kontrolle und Angst beruht, eine freie Entwicklung hindert oder gar unmöglich macht – was könnte dann ein Gegenmodell sein?

Der britische Bildungsforscher Sir Ken Robinson, der im Buch eine Art geistige Klammer bietet, meint dazu: „People do their best when they do the thing they love, when they are in their element“.
Filmplakat "alphabet"Und der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther, der am 31.5.13 in der Schweiz am 1. Bildungskongress – Schulen der Zukunft, einen Auftritt hatte, wird im Buch zitiert:

„Wir haben diese außergewöhnliche Kraft, damit meine ich die Kraft der Vorstellung. Jede Ausformung menschlicher Kultur ist die Folge dieser einzigartigen Fähigkeit. Doch ich glaube, dass wir sie systematisch in unseren Kindern zerstören. Denn wir akzeptieren blind gewisse Vorstellungen über Erziehung, über Kinder, darüber, was Ausbildung bedeutet, über gesellschaftlichen Bedarf und Nutzen, über wirtschaftliche Zweckmäßigkeit.“

Fazit: Ein lesenswertes Buch und ein aufrüttelnder Film, denen viele wache Leser, Zuschauer und Bildungsverantwortliche zu wünschen sind.
Dies auch, weil für den Regisseur nicht einfach das System verantwortlich ist, sondern jeder einzelne. Die Forderung nach einer eigenen Haltung, hat er vermutlich nie drängender gestellt als in „alphabet“.

Buchtipp: Jugendsprache 2013 Deutsch – Englisch – Französisch – Spanisch

Junge Menschen wollen sich abgrenzen und an der eigenen Identität arbeiten. Was eignet sich besser dazu, als eine Geheimsprache, einen eigenen „Code“ zu entwickeln?

Das kleine handliche und Büchlein zeigt dies auf Deutsch und übersetzt in Englisch (differenziert in Variante USA und UK), Französisch und Spanisch sehr gut auf.

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Da ich selber aus den Sprachwissenschaften komme, kann ich die Qualität der Übersetzung durchaus beurteilen. Der Jargon ist meist gut getroffen, wobei die Angelsachsen weniger deftig, die Amis umso heftiger daherkommen.

Jugendthemen sind naturgemäss: Meine Rolle in der Gruppe, Sexualität und Zugehörigkeit.

Besonders gefallen haben mir in dieser A bis Z – Sammlung viele Beispiele unter dem Buchstaben G:

googeln = suchen gehen „Ich geh dann mal mein gestohlenes Fahrrad in der Stadt googeln!“
Grabflüchter, Grabverweigerer = Rentner
griechen = verschwenden „Gestern habe ich wieder 40 Euro für ein paar lausige Drinks vergriecht!“
guttenbergen = abschreiben „Kann ich nachher in der Deutschklausur bei dir guttenbergen?“

Clever auch das Konzept des Verlages, die Jugendlich unter http://www.jugendsprache.de direkt anzusprechen und zum Einsenden von Wortmeldungen anzuregen.

Fazit: Ich empfehle das Büchlein allen, die selber Kids im Jugendalter haben oder sich beruflich mit ihnen beschäftigen. Nicht um die Sprache zu kopieren – sondern aus purem Spass an den kreativen und witzigen Wortschöpfungen.

Glutamat-Palast? Schnellimbiss oder der Chinese um die Ecke!

Neuerscheinung: Spielbar Swiss Edition

Zusammen mit 49 Autorinnen und Autoren aus der Alpenrepublik legt Axel Rachow hier nach Spielbar I, II und III eine neue Variante der beliebten Spiel-Sammlungen für die Seminarpraxis vor.

Rund 60 praktisch erprobte, brauchbare und von Ausbildungsprofis beschriebene Spielanleitungen werden auf ca. 200 Seiten systematisch beschrieben. Die einzelnen Seiten sind perforiert und erlauben so ein einfaches Heraustrennen und Sammeln der ausgewählten Spielideen. Ein Kategorienverzeichnis (von Wahrnehmungsspielen bis zu Rollen-, Entscheidungs- und Bewegungsspielen) sowie ein Vorschlagskatalog für Spielziele (von Kontakt aufbauen bis zu Standpunkte vertreten) hilft bei der Orientierung und Auswahl.

Im Vergleich zu früheren Ausgaben, wovon einige Ausbildungsfachleute oft gleich mehrere zu Hause in Griffnähe haben, ist diese eigentliche 4. Version der „Spielbar-Reihe“ noch etwas sorgfältiger mit Fotos und Anleitungen versehen, was eine Umsetzung und Anwendung  erleichtert. Ich weiss nicht wie es Ihnen ergeht: Das Gewohnheitstier Mensch schätzt den graphisch und in der Struktur immer gleichartigen Aufbau der Spielerklärungen, wer sich also bereits an die Reihenfolge von

-Ziel
-Beschreibung
-Variationen
-Kommentar
-Auswertung/ Überleitung
-Einsatzmöglichkeiten und
-Technische Hinweise

gewöhnt hat, wird sich mit der „Swiss Edition“ rasch zurechtfinden. Dies im Gegensatz zu den auch kostenlos im Internet greifbaren Spielesammlungen, wie sie einige Universitäten und pädagogische Fachhochschulen anbieten, die vielleicht ein aktuelleres und noch breiteres Spektrum bieten, aber durch die unterschiedlichen Darstellungsformen unübersichtlicher sind.

Fazit: „Vier Augen sehen mehr als zwei“ hiess es in meiner Jugendzeit. Diese praktische Spielesammlung zeigt die Vielfalt an methodischem Repertoire, die zusammenkommt, wenn 49 Personen ihre Spielvorschläge zwischen zwei Buchdeckel legen. „Homo ludens“, der spielende Mensch, den wohl auch Herbert Marcuse in Gedanken hatte, als er eine Rückbesinnung auf das Ästhetische und Spielerische forderte, freut sich daran, denn im Spiel liegt Potential um verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovationen hervorzubringen.

Ich empfehle die Sammlung allen spielinteressierten und in der Aus- und Weiterbildung tätigen Personen und freue mich auf den nächsten Wurf, die Spielbar Nr. V, die dann vermutlich „Austria Edition“ heissen wird.

Spielbar Swiss Edition, von Axel Rachow und Johannes Sauer (Hrsg.), Verlag ManagerSeminare, ISBN 9 783941965416, März 2012

Das Offensichtliche entfernen und das Sinnvolle zufügen

Simplicity. Prinzipien der Einfachheit. So lautet ein auch für Bildungsfachleute interessantes Sachbuch des Schweizer Autorentrios Chris Brüggen, Michael Hartschen und Jiri Scherer.

Einfachheit, Klarheit, Übersichtlichkeit…wer sehnt sich im modernen Leben nicht danach? Im Mittelpunkt des hier besprochenen Buches stehen diese fünf Prinzipien, die auch den Aufbau des Buches bestimmen:

1.    Restrukturieren
2.    Weglassen
3.    Ergänzen
4.    Ersetzen
5.    Wahrnehmen

Zu Beginn jedes Kapitels stellen die Autoren die einzelnen Prinzipien kurz vor und erläutern sie dann mit maximal drei „Massnahmen zur Vereinfachung“. Und wie in einem guten Workshop endet jedes Kapitelende mit einer Transferübung, um das Gelernte zu vertiefen und für den eigenen Arbeitsbereich nutzbar zu machen.

Da ich seit einigen Jahren selber in der Schulung und Vermittlung von „Einfachheit“, sprich: Didaktischer Reduktion, tätig bin, hat mich der auf industrielle Produktion und Dienstleistungsunternehmen ausgerichtete Fokus dieses Buches interessiert. Auch wenn bei mir die Ausgangslage etwas anders ist, denn ich arbeite vielfach mit Ausbildungsleitenden und Bildungsabteilungen, die ganz dem Titel dieses Blogs entsprechend über „Viel Stoff und wenig Zeit“ klagen und überflüssige und redundante Inhalte aus Ihrem Unterricht aussieben möchten, aber trotzdem die wichtigsten Lerninhalte ansprechend und einprägsam vermitteln wollen.

Das Buch behandelt dieses Aspekte nur am Rande und nach meiner Erfahrung reicht eine Buchlektüre dazu auch nicht aus. Für didaktische Reduktion braucht es vielmehr eine Auseinandersetzung mit den Inhalten des Fachgebietes, zum Beispiel in einem Training oder in einer Beratung. Trotzdem sind viele in „Simplicity“ erwähnte Prinzipien adaptierbar, da Bildungsarbeit ja auch einer Prozessdienstleistung entspricht, die Potential für Vereinfachung bietet.

Kritisieren könnte ich bei diesem Buch die Tatsache, dass die Fachwörter erst ganz hinten sauber definiert werden; aber da ich meine Bücher sowieso oft vom Stichwortregister her starte, hatte ich keine Probleme damit. Schade finde ich aber, dass die gleich zu Beginn aufscheinenden Begriffe „komplex“ vs. „kompliziert“ nicht definiert werden, denn nach meiner Wahrnehmung scheitert der Erfolg von Produkten und Dienstleistungen oft an Letzterem. Meine Blogseite darf ruhig komplex sein, ich wünsche mir aber eine Bedienung, die nicht kompliziert sondern…einfach ist!

Fazit: Ich empfehle das klug strukturierte und angenehm zu lesende Buch allen Personen, die Strategien für einfach anzuwendende, an den Kundeninteressen ausgerichtete Produkte und Dienstleistungen suchen. Wie die Autoren übrigens freimütig anmerken, stammen viele ihrer Ideen aus dem 2007 erschienen, gleichnahmigen Buch des Japaners J. Maeda:

„Simplicity is about subtracting the obvious, and adding the meaningful“. Dies ist auch der Grund, warum ich die Übersetzung oben als Titel dieser Rezension nutzte.

Simplicity. Prinzipien der Einfachheit. Erschienen im September 2011
Gabal Verlag, 2011, ISBN 978-3-86936-245-8

Neuausgabe „Handbuch E-Learning, Lehren und Lernen mit digitalen Medien“ von Patricia Arnold et al.

E-Learning und Lernen 2.0 ist in aller Munde. Nach dem Hype der 90-er Jahre, die dem E-Learning das Potenzial zusprachen, die ganze Bildungslandschaft umzukrempeln, stehen Bildungsfachleute heute den neuen Technologien nach einer Phase der interessierten Reserviertheit wieder zunehmend positiver gegenüber.

Warum ist dies so? Kompetenzorientiertes E-Learning mit Sozialen Medien nutzt heute die erweiterten Möglichkeiten der „Sozialen Software“, die Menschen hilft, über örtliche Barrieren und Präsenzunterricht hinweg über das Internet zusammen zu arbeiten und Wissen zu teilen. Gut augebautes Lernen 2.0 setzt auf die Emanzipation der Lernenden, die ihre Alltagserfahrungen und ihr Wissen über interaktive Plattformen wie Blogs oder Wikis einbringen, kommentieren, reflektieren und gemeinsam weiterentwickeln.

Die AutorInnen des hier besprochenen Sachbuches, alles Fachleute für Blended-Learning-Konzeptionen auf Hochschulstufe, führen in diesem Buch unter der Leitung von Dr. phil. Patricia Arnold, wichtige Erkenntnisse über entscheidende Erfolgsfaktoren für E-Learning-Angebote im Kontext von Erwachsenenbildung schlüssig zusammen.

Ihr Fazit: Bedarfsgerechte Lernkonzeptionen sind der entscheidende Erfolgsfaktor für E-Learning Angebote. Die informations- und kommunikationstechnischen Innovationen bilden lediglich die Voraussetzungen, um die für erfolgreiches Lernen im virtuellen Raum erforderliche pädagogische Infrastruktur zu schaffen. Das Ziel muss sein, selbst organisiertes kooperatives Lernen zu ermöglichen.

Im Vergleich zum ersten Handbuch (2004), welches vor allem Ergebnisse aus einer deutschen Studie über den Einsatz von E-Learning auf Fachhochschulstufe referierte, bietet das überarbeitete Handbuch praktisch umsetzbare Hinweise für die erfolgreiche Gestaltung von Bildungsmassnahmen, unterstützt durch den Einsatz digitaler Möglichkeiten. Auf über 400 Seiten spannen die AutorInnen den Bogen von der Didaktik bis zur Entwicklung und Evaluation virtueller Bildungsangebote und ihre umfangreiche Textsammlung spricht neben der Hauptzielgruppe Hochschullehrkräften auch Dozenten und vielleicht etwas eingeschränkter Ausbilder und Studierende an.

Der Band berichtet über Grundlagen erfolgreicher Lehr- und Lernprozesse, die Auswahl, Gestaltung und Implementierung sowie Nutzung virtueller Bildungsräume und persönlicher Lernumgebungen. Auf das Thema „Kosten“ und technische Details wird allerdings nicht eingegangen. Die umfassende Darstellung von Web 2.0 Werkzeugen, die Ausführungen zu Qualitätsmanagement (hier verstanden als „Qualitätsentwicklung“) machen das Handbuch jedoch zu einem wertvollen Begleiter im Arbeitsalltag von Bildungsfachleuten, insbesondere von Umsetzern und erfahrenen Praktikern. Konsequent aus einer didaktischen Perspektive gedacht, hat mir das Buch wertvolle Impulse für die Durchführung von Seminaren und Firmenschulungen zum Thema „Lernen 2.0 und Perspektiven für Bildungsfachleute“ gegeben.

Fazit: Hier waren Spezialisten am Werk, die eine schlüssige und eingängige Struktur gewählt haben und die inhaltliche Breite und fachliche Fundierung sind beeindruckend. Das erste und letzte Kapitel bilden quasi die Klammer und Rahmen für E-Learning und die Autoren stellen sich hier Fragen, die sich alle am Thema interessierten Fachleute stellen würden: Was sind die Voraussetzungen für E-Learning? Wie können wir die Nachhaltigkeit der Lernprozesse sicher?

Was würde ich anders machen, wenn ich ein solches Buch schreiben würde? Der Band legt aus meiner Sicht ein zu starkes Gewicht auf das „Lehren“ statt „Lernen“. Die Förderung von Kompetenzen, oder wie ich es persönlich bevorzuge, der „Performanz“ (siehe Hans Furrer in Das Berner Modell 2009), die heute in der beruflichen Bildung im Sinne von „Problemlösefähigkeit“ längst im Mittelpunkt steht, sollen hier offenbar weniger gefördert werden, sondern es geht in erster Linie um Ziele auf der Wissensebene. Dies halte ich für weder besonders innovativ, noch sinnvoll. Und dann verfügt der Band auch über ein Glossar, nicht aber über ein Stichwortverzeichnis, was für mich bei einem Handbuch zur Grundaustattung gehören sollte.

Aber trotz der Kritik ist das Buch vermutlich einer der besten aktuell greifbaren Titel zum Thema E-Learning und für Bildungsfachleute eine wertvolle Unterstützung.

Handbuch E-Learning: Lehren und Lernen mit digitalen Medien, Patricia Arnold et al., Bertelsmann Verlag, September 2011, ISBN 978-3763948888