Hand auf’s Herz: Im deutschsprachigen Raum geben wir viel dafür, dass rationale, methodisch aufbereitete Inhalte in unseren Vorträgen die Hauptrolle spielen sollen. Zu viel Beredsamkeit scheint uns verdächtig: reisserisch, kommerziell…irgendwie unseriös.
Da ich diese Tage ein Training zum Thema „Präsentationstechnik“ in Englisch umsetzen konnte, beschäftigte ich mich intensiv mit angelsächsischer Rhetorik. Dabei fiel mir erneut auf: Viele Redner im englischsprachigen Kulturkreis packen die Sache pragmatischer an. Nicht Zahlen, Daten und Fakten zählen – am besten schön nachvollziehbar auf PowerPoint gebrannt und in einem Massnahmenkatalog gebündelt.
Nein, das Motto lautet:
„All business is showbusiness.“
Vor allem die US-Amerikaner rütteln ihr Publikum mit zugespitzen Aussagen, optimistischen Visionen und ansprechend gestalteten „Slides“ aus dem Dämmerschlaf.
Doch sowenig die fast schwebend über die San Francisco Bay gespannte Golden Gate Bridge ohne Pfeiler auskommt, vertraut die nordamerikanische Rhetorik allein auf ausladende Gestik und grosse Worte.
Je komplexer das Thema, desto mehr Sorgfalt verwenden auch die Nordamerikaner darauf, ihre Behauptungen zu stützen. Doch im Unterschied zu Deutschen oder Schweizern setzen sie Details und Fakten anders ein als wir: Trägt die Info zur Klarheit bei? Unterstützt sie argumentativ die „Big Idea“?
Leuchtet die Info nicht unmittelbar ein oder gewinnt sie nicht automatisch maximale Zustimmung, würde sie die Rede nur überfrachten. Folglich fällt sie raus. Im besten Fall werden hilfreiche Details exakt in dem Moment geliefert, wo das Publikum danach verlangt.
Beispiel: Statt über die erschreckende Tatsache zu sprechen, dass zur Zeit jährlich 20 Mio. Hektar Regenwald abgeholzt werden, sagen die Angelsachsen:
„Diese Fläche entspricht ungefähr der Grösse von England.“.
Aus Sicht der Didaktischen Reduktion möchte ich festhalten: Für mich bedeutet inhaltliche Dichte und Stringenz mehr und anderes als eine nicht enden wollende Aneinanderreihung von Einzelfakten. Denn Substanz kann auch bedeuten, dass eine Rede den Zuhörern eine tatsächliche Argumentation, einen Gedankengang, zumutet.
Fazit: Angelsachsen setzen mehr auf die Wirkung einer Rede, als auf die erschöpfende Behandlung des Themas. Um Zahlen und Komplexität einfacher zu vermitteln, verwenden sie einen besonderen Begriff: „Social Math“. Die „soziale Mathematik“ bettet Zahlen in einen für die Zuhörer möglichst nachvollziehbaren gesellschaftlichen Kontext. Damit öffnet sie neue, auch emotionale Dimensionen des Begreifens.
Angewendet auf das oben aufgeführte Beispiel:
„Würde jeder Einwohner in den USA seine Seitenränder von 3 cm auf 2 cm ändern, würden wir soviel Schreibpapier einsparen, dass wir jedes Jahr einen Wald etwa in der Grösse von Rhode Island retten könnten.“