Reduktion … mit spitzer Feder!

Das Kabarett ist eine besondere Form der Kleinkunst. Oft werden dabei unterschiedliche Ausdrucksformen –Szenen, Monologe, Dialoge, auch Gedichte und manchmal Musik, miteinander verbunden.

Eine Abgrenzung zu Comedy und Stand-up-Comedy ist schwierig. Versuchen wir es so: Im Kabarett interessiert die zugespitzte Kritik an Politik und Gesellschaft. Comedy und Stand-up-Comedy hingegen, zeigen das komische Ringen von Einzelnen mit einem zunehmend komplexeren Alltag.

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Chris Rock, Stand-up-Comedy-Star aus Brooklyn

Im Kabarett wie auch in der Stand-up-Comedy beobachten wir Stilelemente wie Satire und Parodie, oft auch Sarkasmus und Ironie. Die Künstlerinnen und Künstler, die sich in einer oder in beiden Disziplinen bewegen, brauchen vor allem eines: den Mut, konsequent und einfach zu sein.

Ich geniesse alle die oben erwähnten Spielformen. Von Josef Hader bis Chris Rock. Und interessiere mich auch für die Logik, die dahintersteckt. Diese Tage lese ich darum das in Teilen empfehlenswerte Buch von Judd Apatow „Sick in the Head – Conversations About Life and Comedy“.Bildschirmfoto 2016-08-16 um 23.46.32

Es handelt sich um eine Art Dokumentation von Unterhaltungen über Unterhaltungen. Zusammengetragen von einem US-amerikanischen Filmemacher, Drehbuchautoren und Filmproduzenten. Einfacher erklärt: Rund 40 Interviews aus den letzten drei Jahrzehnten mit Landsleuten, die Komisches –am laufenden Band- produzier(t)en.

Ich nehme es gleich vornweg: die meisten Texte ärgern mich, denn viele Gesprächspartner simulieren mit ihren pseudoexistenzialistischen Spässchen Klugheit und transportieren doch nur flache Kalauer und Vulgarismen. Eine kritischere Haltung des Autoren den Interviewten „Grössen“ gegenüber, hätte den Texten gutgetan.

« Wenn du einem sieben Bälle zuspielst, fängt er keinen.

Spielst du ihm nur einen zu, hat er ihn bestimmt. »

Nadine Borter, Werbetexterin Agentur Contexta

Immerhin realisiere ich: wer glaubt, die Arbeit mache diesen Komikern ja vor allem Spass, irrt sich tüchtig. Der Spass macht vor allem Arbeit. Dann auch, neben der Schreiberei,  die zusätzlich Herausforderung, vor Publikum zu bestehen: Vor Menschen mit einem anderen Zugang zu Humor, einem anderen „Groove“ und anderen Erwartungen.

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Sketch mit Josef Hader aus dem Film „Aufschneider“

Bei der Lektüre merkte ich: es gibt bei der Satire, beim Humor, beim Kabarett und bei der Stand-up-Comedy Verbindungen zu „Didaktischen Reduktion“. Komik ist das Spiel mit Auslassungen. Immer geht es darum, aus einer Vielfalt auszuwählen. Kernbotschaften herauszuarbeiten. Komplexe Sachverhalte aufzubereiten und sie ansprechend, oder „eingängig“, manchmal auch zugespitzt, einem bestimmten Publikum zu präsentieren.

« I’dont know if comedians know how to work an audience anymore. »

Chris Rock im Interview mit Judd Apatow, S. 66

Noch anspruchsvoller ist diese Aufgabe für Karikaturisten. Mit wenigen Strichen und einzelnen Worten, müssen sie zu Rande kommen. Meister der Verkürzung sind für mich die Duos Greser&Lenz, sowie Hauck&Bauer, die wiederholt in der TITANIC, im Spiegel Online, aber auch in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung publizieren. Letztgenannte erzählen in Ihrem Interview vom 23.8.16 im Deutschlandfunk über ihren kooperativen und reduktiven Schaffensprozess.

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Greser&Lenz, Die Welt vom 4.11.14

Während Bühnenkünstler viel Zeit für den Aufbau ihrer Geschichte brauchen und diese schrittweise oder unerwartet zur Pointe führen, müssen Zeichnerinnen und Zeichner ihre Botschaft in nur einem oder in ganz wenigen Bildern transportieren. Genial, wenn es ihnen gelingt, fast ohne Worte und Text -nur mit rasch hingeworfenen Strichen- ein Schmunzeln oder Lachen bei den Betrachtenden hervorzuzaubern.

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Krautreporter, 22.10.14

Wer bis hierher gelesen hat, versteht mein Dilemma: selbst mir als als Trainer und Fachbuchautor fällt es schwer, das Phänomen in einfachen Worten zu umschreiben. Dabei bin ich gerade daran, dieses Thema, Reduktion mit Humor und Elementen aus der Stand-up-Comedy, bei der im Mai 2017 erscheinenden überarbeiteten Neuauflage meines Fachbuches, stärker zu gewichten.

Unter dem Titel „Reduziert, Didaktische Reduktion für Trainer, Ausbildende und Lehrende“ führe ich in der neuen Auflage auch Beispiele auf, wie eine humorvolle Haltung den Zugang zu Menschen und Themen vereinfachen und erleichtern kann.

Körperlich kann sich eine humorvolle Lebenseinstellung in Form von einer Reduktion der Stresshormone auswirken. Aus der Psychologie erhalten wir Hinweise, dass Humor unsere Fähigkeit, mit Belastungssituationen umzugehen, stärkt. Gemeinsames Lachen stärkt den Zusammenhalt und hilft, Konflikte zu entschärfen.

« Denn Satire, wenn man sie nicht so eng fasst wie das Kabarett oder sich ihr im Wunsch nach rein unterhaltsamer Ablenkung nicht verweigert wie die Comedy, kann so viel mehr sein. So viel mehr, dass vielleicht Satire längst nicht mehr der richtige Begriff dafür ist. Nur mehr ein Hilfswort, um juristische Auseinandersetzungen aushalten zu können. Ein inhaltlich eher störendes Codewort für „Hier dürfen wir alles. »

Tim Wolff, Chefredakteur TITANIC, 1.9.16 Nitro

Wer in der Erwachsenenbildung und im Training die Entfaltung der Teilnehmenden unterstützen will, so meine Erfahrung, wird sich an den neuen Fallbeispielen und Hinweisen erfreuen, die ihm in der Praxis Unterstützung bei der Auswahl und Aufbereitung von Stoff und Inhalten bieten können.